Französische in München: das L´Èpicerie d´Anne-Marie rebellisch und ganz ohne Attitüde

Französisch Essen gehen ist eine Herausforderung. Zumindest für Menschen, die kein Französisch sprechen. Da kann man stolz sein auf sein Großes-Latinum. Doch nirgendwo sonst wird einem die Unsinnigkeit dieses Schulfaches und der damals eingeschlagene Irrweg des naturwissenschaftlichen Bildungsweges vor Augen geführt, wie in einem französischen Restaurant. Es ist sicher keine Absicht, aber wenn man in München in die Klassiker geht, wie das Rue de Halles oder Le Faubourg, dann weht einem immer ein Hauch von Arroganz entgegen, wenn man dem Wirt gestehen muss, dass man die Speisekarte nicht versteht. Und innerlich macht man sich auch den Vorwurf - und der Blick des Wirtes unterstützt das: kann ich überhaupt die französische Küche genießen oder gar verstehen, wenn ich nicht einmal ihre Sprache verstehe?

Zum Glück ganz anders ist da ein winzig kleines Restaurant in der Steinstrasse, das L´Epicerie d'Anne-Marie. Hier wird nicht die große französische Historie und Sprachgewalt bemüht, sondern die kleine, feine Bistroatmosphäre genutzt, um jedem Gast ein Wohlfühlgefühl zu vermitteln. Man wird französisch begrüßt, wie nett. Aber die Speisekarte kann ein Latein-Depp wie ich lesen und alles, alles wird freundlich und zuvorkommend erklärt. Und das ist eines der Geheimrezepte des Erfolges hier: die Atmosphäre. Dazu kommt die Lage. Das L´Epicerie d'Anne-Marie liegt direkt an der S-Bahn Rosenheimerplatz. Also kommt öffentlich, lasst bitte, bitte das Auto zu hause (Parkplätze gibt es ohnehin nicht) und freut euch an Erfolgsrezept Nr. 3: den Speisen. Die Klassiker gibt es wie die Boulibase, aber auch herrliche Fischgerichte. Man zelebriert die "Türmchentechnik" beim Anrichten, aber übertreibt das ganze nicht. Also keine Sorge, hier wird nichts überzogen oder übertrieben, sondern liebevoll gekocht und auch serviert. Und zum Schluss: die Desers ob Schokokuchen oder Creme Bruele... ein Gedicht. Natürlich in französisch.
Wie beliebt das kleine feine Restaurant ist, zeigt auch dass Petra Hammerstein schon zwei Mal hier war und in ihrem wunderbaren Blog "Der Mut anderer" freundlich darüber berichtet hat. Und so bleibt mir gar nicht, dem Team von L´Epicerie d'Anne-Marie viel Erfolg zu wünschen, den haben sie offensichtlich schon, sondern zu wünschen, dass sie so bleiben, wie sie sind.
(P.S. uff, noch nie musste ich beim Schreiben eines Post so oft spicken und nachgucken, wie man das schreibt ... vielleicht sollte ich doch anfangen, Französisch zu lernen. Fehler möge man mir als Lateiner nachsehen).
Dezember 2012: leider gibt es das Restaurant wohl nicht mehr. Keiner geht ans Telefon und auch die Webseite funktioniert nicht mehr. Ist das L`Epicerie d´Anne-Marie weg? Es wäre sehr schade